Zukünftige Softwarearchitekturen für Fahrzeuge

 

 

Elektronik und Software sind die Basis für neue Funktionen im Fahrzeug und damit ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Für die Entwicklung von Fahrzeugen sind dabei zwei wichtige Trends erkennbar:

  1. Eine steigende Funktionsvielfalt und
  2. ein steigender Anteil der Fahrzeugsoftware an der Automobilelektronik.

 

 

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Komplexe Softwaresysteme für Fahrzeuge

Straße im Wald aus der Vogelperspektive
© Fraunhofer IKS

Diese neuen Funktionalitäten finden sich zum Beispiel

  • bei Funktionen der aktiven Fahrsicherheit und der Fahrerassistenz,
  • bei Funktionen, die durch neue Antriebskonzepte entstehen, etwa neue Motorsteuerungen für Hybridantriebe,  und
  • bei Ausstattungs- und Komfortmerkmalen, zum Beispiel neuen Infotainment-Funktionen.

Die Funktionsmerkmale zukünftiger Automobile führen zu einer erheblichen Steigerung der Komplexität automobiler System- und Softwarearchitekturen. Dies ist auch dadurch gekennzeichnet, dass neue Systeme, beispielsweise Fahrerassistenz-Systeme, auf eine ganze Reihe anderer Fahrzeugdomänen beispielsweise Antriebsstrang und Infotainment – zugreifen müssen, was zu einer stark steigenden Vernetzung dieser Domänen und damit zu einem erhöhten Kommunikationsbedarf führt. Auch die steigende Zahl von Funktionsvarianten, die etwa durch kundenspezifische Ausstattungsvarianten entstehen, macht die Systeme komplexer.

Die System- und Softwarearchitekturen in den Fahrzeugen müssen diesem Trend Rechnung tragen. An sie werden neue Anforderungen wie Flexibilität, Energieeffizienz und Robustheit gestellt, die sich aus den genannten Trends ableiten lassen.

Adaptives E/E-System

Heutige Fahrzeuge der Oberklasse besitzen um die 80-100 Steuergeräte (eingebettete Computer), die Fahrzeugfunktionen durch Software realisieren. Dabei sind die Funktionen diesen Steuergeräten in heutigen Systemarchitekturen, zum Beispiel bei AUTOSAR, fest zugeordnet.

Da die Anzahl der Steuergeräte für die Integration neuer Funktionen nicht beliebig erweiterbar ist, sind neue Konzepte für ein flexibleres Funktions-Steuergeräte-Mapping erforderlich. Da es zukünftig auch mehr Funktionen geben wird, die direkt von der Fahrsituation abhängen, etwa Adaptive Cruise Control für den Stauverkehr, sind zur Erreichung einer hohen Effizienz der verfügbaren Ressourcen neue dynamischere Konzepte erforderlich. Dabei müssen die hohen Qualitätsanforderungen der Automobilindustrie auch durch die Software im Fahrzeug eingehalten werden.

Vorteile von adaptiven E/E-Systemen

Damit eine zukünftige System- und Softwarearchitektur im Fahrzeug diesen Anforderungen gewachsen ist, erforscht das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS (früher: Fraunhofer ESK) Konzepte für ein selbst-adaptives automobiles E/E-System. Gegenüber dem Stand der Technik können durch den neuen Ansatz folgende Vorteile aufgezeigt werden:

1. Steigerung der Ressourceneffizienz

Durch eine adaptive An- und Abschaltung der softwarebasierten Funktionsmerkmale in bestimmten Fahrsituationen können die existierenden Hardware-Ressourcen besser ausgenutzt und damit eine Reduzierung des Energieverbrauchs im Auto erreicht werden.

2. Effiziente Zuverlässigkeit

Die Entwicklung zuverlässiger Softwaresysteme erfordert einen hohen Aufwand. Selbst-adaptive Systeme bieten eine verbesserte Robustheit ohne zusätzliche Redundanz von Hardware. Beispielsweise kann ein Ausfall eines Steuergeräts durch die Migration von Funktionen auf andere Steuergeräte zeitweise kompensiert werden, was dazu führt, dass das E/E-System robuster gegenüber Ausfällen wird.

3. Wartbarkeit und Erweiterbarkeit

Der Austausch von Fahrzeugkomponenten in einer Werkstatt beziehungsweise das Nachrüsten neuer Geräte (Aftermarket-Produkte, Consumer Endgeräte) wird vereinfacht, da sich ein adaptives Softwaresystem dynamisch zur Laufzeit an neue Systemzustände anpassen kann.

Laufzeitumgebung und Entwurfsmethodik

Zur Realisierung eines adaptiven automobilen Bordnetzes, erforscht das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS eine Laufzeitarchitektur auf Basis des AUTOSAR-Standards sowie eine neue Entwurfsmethodik.

Die Methodik zur Entwicklung adaptiver Softwaresysteme ruht auf zwei Säulen: Dem iterativen, modell-basierten Entwurf mit Anlehnung an eine spezifische Erweiterung der Architecture Description Language EAST-ADL2 sowie dem virtuellen Prototyping des Systems mit dem Simulator ERNEST.

Außerdem erforscht das Fraunhofer IKS Mechanismen zur effizienten und zuverlässigen Adaption des automobilen Softwaresystems zur Laufzeit. Die Adaption kann dabei durch die An-/Abschaltung von Funktionsmerkmalen oder die Migration einzelner softwarebasierter Funktionen auf andere Steuergeräte erreicht werden. Dabei müssen die im Entwurf definierten Anforderungen an das adaptive Bordnetz zur Laufzeit eingehalten werden, um das korrekte Systemverhalten zu jedem Zeitpunkt garantieren zu können.