Produktionssteuerung in der Cloud

Tablet vor einer Modellfabrik
© Competence Center Automation Düsseldorf (CCAD)
Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Kognitive Systeme IKS gestalten die Produktionssteuerung interoperabel und flexibel, in dem sie Teile davon in eine Cloud verlegen.

Von hochgradig vernetzten Produktionsanlagen, über vollständig vernetzte Produktionsstandorte, bis hin zu miteinander in »Echtzeit« kommunizierenden Unternehmen – Das Stichwort »Industrie 4.0« ist zum Synonym für eine effiziente, flexible und individuelle Produktion geworden, bei der sich das Produkt selbst durch den Produktionsprozess manövriert.

Während bei der klassischen Hardware-SPS eine enge Kopplung zwischen Prozess und Steuerung bestand, entstanden in den letzten 10 Jahren immer offenere Systeme, in denen eine Software-SPS innerhalb der vernetzten Anlage Steuerfunktionen übernahm. Der nächste Schritt liegt nun in der vollständigen Loslösung von Steuerfunktion und zugehörigem Prozess bzw. Anlage hin zu Cloud-basierten Steuerungsdiensten.

Hoher Aufwand durch proprietäre Systeme

Die Programmierung, Inbetriebnahme und Wartung der meisten derzeit im Einsatz befindlichen Steuerungstechnologien ist für die Anforderungen der Industrie 4.0-Szenarien zu aufwendig und unflexibel. Ein Großteil der Steuerungen basiert auf eingebetteten Systemen, die über proprietäre Kommunikationsprotokolle von PC-basierten Entwicklungsumgebungen aus programmiert werden. Kommen verteilte Systeme bzw. mehrere Steuerungen zum Einsatz, steigt der Aufwand für die Verwaltung der Programme erheblich und somit auch die Gefahr von Fehlern im Handling der Versionsstände. Beim Datenaustausch zwischen den Steuerungen kommen heute entweder proprietäre, herstellerspezifische Technologien, z.B. Netzwerkvariablen, zum Einsatz oder anwendungsspezifische und nicht standardisierte Implementierungen. Beim gleichzeitigen Einsatz von Steuerungen verschiedener Hersteller entstehen deshalb häufig Interoperabilitätsprobleme. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich, wenn Steuerungen, die ausschließlich echtzeitbasierte Ethernet-Protokolle unterstützen, an das Internet angebunden werden. Erste Ansätze für einheitliche Schnittstellen auf Basis von OPC UA werden zwar von der PLCopen propagiert, kommen bisher aber nur in wenigen Produkten zum Einsatz.

Cloud-basierte Steuerungsdienste — Wandlungsfähig, redundant, kosteneffizient

Deswegen untersuchten Forscherinnen und Forscher im Projekt Cloud based Industrial Services (CICS) neue, durchgängig weborientierte Steuerungssysteme, die sich flexibel und mit wenig Aufwand an anwendungsspezifische Bedürfnisse anpassen lassen.

Die Steuerungsdienste nutzen verfügbare öffentliche und private Cloud-Strukturen für das Management und die Ausführung der CICS. Als eine ergänzende Variante wurde auch die Ausführung der Steuerungsdienste auf Webclients (Webbrowser) vorgesehen. Die praktische Anwendbarkeit der CICS in der Automatisierungstechnik wurde einerseits durch Anwendung der Standards IEC 61131 und IEC 61499 für industrielle Steuerungsprogramme gesichert und wurde zudem durch eine Studie zum Anwendungs- und Nutzungspotential inkl. der Bewertung neuer Webtechnologien für diesen Zweck ermittelt.

Das sich daraus ergebende Potential ist vielfältig:

  • Kosteneinsparungen bei Inbetriebnahme und Betrieb durch ortsunabhängigen und Cloud-basierten Service.
  • Flexible Bereitstellung von Steuerungsfunktionen für die wandlungsfähige Produktion.
  • Verbesserter Herstellerservice (zentrales Backup, Reservesystem im Fehlerfall)
  • Darstellung von Informationen sind besser an den Benutzer anpassbar.
  • Unterstützung von Simulation für bessere Planung und Prozessoptimierung.
  • Produktionsoptimierung durch bedarfsgerechte Nutzung effizienter Algorithmen (App-Konzept).
  • Systemschnittstellen innerhalb von Steuerungssystemen reduzieren sich erheblich und existieren nur noch als Softwareschnittstellen im IP-Netz.

Im Projekt CICS entwickelte das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS (früher: Fraunhofer ESK) in Verbindung mit dem Lehrstuhl für Kommunikationsysteme der Uni Augsburg und dem Düsseldorfer Telelabor, eine Einrichtung des Competence Center Automation Düsseldorf (CCAD), neue industrielle Steuerungstechnologien. Das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS erarbeitete hierfür vor allem die zugehörigen Schnittstellen auf Basis von Webtechnologien. Die Referenzarchitektur entstand am Düsseldorfer Telelabor. Begleitet wurde das Projekt von sechs Unternehmen der Automatisierungsbranche. Dazu gehörten ESR Pollmeier, Formware, MicroNet Automation, Siemens, Software Factory und Wiesemann & Theis.

Mit den im Projekt gewonnenen Erkenntnissen unterstützt das Fraunhofer IKS Hersteller, Anbieter und Anwender von SPS-Lösungen bei der Umsetzung industrieller Cloud-basierter Steuerungsdienste. Die entstehende Referenzarchitektur der Projektpartner kann den Kunden dabei als Basis dienen, auf der sie ihre Cloud-Lösungen aufsetzen bzw. nach der sie ihre Produkte ausrichten können.

Das IGF-Vorhaben 18354 N wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.